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Dokumentarfilm

„Gerechtigkeit ist möglich, wir müssen sie nur herstellen.“



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Prolog
Seit über 20 Jahren befindet sich das euphemistisch „Demokratische Republik Kongo“ genannte Land in einem andauernden Krieg, der schon weit über 6 Millionen Menschen das Leben kostete. Der Kongo wird oft als das rohstoffreichste Land der Erde bezeichnet, und genau das verursacht das Elend der einheimischen Bevölkerung. Schon zu Zeiten der Kolonialisierung durch die Portugiesen und Belgier wurde das Land ausgeplündert, allein schon wegen seiner Gold- und Diamantenschätze. Heute sind Computer, Mobiltelefone, Digitalkameras und andere elektronische Geräte auf Rohstoffe angewiesen, die u.a. aus Coltan hergestellt werden, und im Osten des Kongo befinden sich rund 80 Prozent der weltweiten Vorkommen davon. Der vielfache Rohstoffreichtum führte zu einem der gewalttätigsten Wirtschaftskriege aller Zeiten, der noch unvermindert fortdauert und dessen Verursacher bis heute straffrei ausgegangen sind. Der Kampf um die Vorherrschaft über die Rohstoffe findet auf internationalem Niveau mit Hauptakteuren aus den USA, Europa und China statt.

*

Der Schweizer Soziologe Milo Rau wurde 1977 in Bern geboren und gehört zu den führenden Theatermachern. Er hat schon verschiedene Tribunale als Theaterevents inszeniert und bringt Das Kongo Tribunal - ursprünglich drei Tage dauernde Verhandlungen - nun als Film heraus. Untersucht werden Vorfälle in einer Goldmine, einer Coltan-Mine und ein Massaker in dem Dorf Mutarule, dessen Auswirkungen das Filmteam selbst gesehen und als Beweis gefilmt hat. Wenn es in der Realität schon keine Gerichtsverhandlungen gegen die Täter gibt, dann sollte dies wenigstens fiktiv auf einer Theaterbühne geschehen: „Regisseur Milo Rau gelang es erstmals in der Geschichte dieses Krieges, ein symbolisches Tribunal unter Beteiligung aller Parteien mitten im Bürgerkriegsgebiet abzuhalten. Präsidiert von einem halb kongolesischen, halb internationalen Expertengremium sowie zwei Anwälten des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, wurden in Bukavu die zentralen Konfliktlinien des Kongo-Kriegs anhand von Hearings mit Opfer, Augenzeugen, Milizionären, Politikern, UNO- und NGO-Angehörigen sowie Rohstoffhändlern und lokalen Menschenrechtsaktivisten beleuchtet“, erklärt der Filmverleih.



Gerichtsszene aus Das Kongo Tribunal | (C) real fiction Filmverleih


Den Vorsitz führt der belgische Jurist Jean-Louis Gilissen (Mitbegründer des Strafgerichtshofs in Den Haag), als Beisitzer fungieren die belgische Afrika-Korrespondentin Colette Braeckmann, der kongolesische Menschenrechtsaktivist Prince Kihangi und andere Persönlichkeiten. Für den ebenfalls vorgesehenen Schweizer Globalisierungskritiker Jean Ziegler wurde demonstrativ ein Stuhl als Jurymitglied freigehalten, nachdem ihm die Vereinten Nationen die Einreise in den Kongo verwehrt hatten. Als Untersuchungsleiter fungiert der kongolesische Anwalt für Menschenrecht Sylvestre Bisimwa. Gehört werden neben den Geschädigten auch Vertreter der Minenbetreiber und der Politik. Selbst der Gouverneur der Provinz Süd-Kiyu, Marcellin Cishambo, legt einen publikumswirksamen Auftritt hin und sonnt sich in der Sicherheit der Straflosigkeit, die sowohl im filmischen Tribunal wie auch in der Realität ein verlässlicher Faktor ist. Es besteht keine Gefahr zur Rechenschaft gezogen zu werden, denn das völlig destabilisierte Land hat der Plünderung durch internationale Konzerne nichts entgegenzusetzen, auch die einheimischen Politiker schreiten vielfach um ihres eigenen Wohlstands willen nicht gegen die Verbrechen an ihrer Bevölkerung ein, die aus über 200 verschiedenen Ethnien besteht.

Twangiza ist das größte Goldabbaugebiet des Landes. Die Einheimischen wurden mit den üblichen Versprechen umgesiedelt, wie befestigte Straßen, Schulen, Krankenstationen etc. Nun leben sie weit entfernt auf einem Berg, auf dem es keine Nahrung und kein Wasser gibt. Das Vieh ist verendet, weil es von dem durch den Goldabbau vergifteten Wasser getrunken hat. Beim Abbau wird giftiges Zyanid verwendet. Sie haben nichts mehr. Auch keine Arbeit, denn die Minenbetreiber von Banro stellen sie einfach nicht ein, und die Versprechungen werden auch nicht eingelöst. Milo Rau erkundigte sich beim Ministerium für Bergbau, das auch noch weitere Lizenzen vergeben hat. Im Kongo gibt es kaum Landrecht im europäischen Sinne, viele Gebiete gehören angeblich dem Staat, der sie „legal“ verpachten darf.

In anderen Gegenden des Ostkongo sieht es deshalb nicht anders aus. In der Gegend der Coltan-Mine Bukaru lässt die Firma MPC die Bewohner gewaltsam vertreiben und Schlimmeres. Mehrere Zeugen schildern, dass auch Frauen und Kinder nicht verschont werden. Eine Frau zeigt die ihr zugefügten Messerstiche und vier Einschusslöcher im Bauch. Sie hat überlebt, aber ihr ungeborenes Kind nicht. Auch Krankenstationen, Kirchen und Geistliche werden überfallen, ganz offensichtlich, um den Menschen jeden Halt und jede Hoffnung zu nehmen. Und weil niemand sie beschützt - weder die UNO, die Polizei noch die Armee - bilden sie Rebellenarmeen zum Selbstschutz. Die müssen sich aber auch irgendwie erhalten, und so dreht sich die Spirale der gewaltsamen Aneignung immer weiter. Milo Rau hat die Orte mit der Kamera besucht und auch Luftaufnahmen gedreht, darunter die Minengebiete und das durch den Goldabbau verseuchte Wasser. Er sprach mit Minenarbeitern und Rebellen, ließ möglichst alle Beteiligten zu Wort kommen. Damit untermauert er die Zeugenaussagen und Sachverhalte.

Als Milo Rau und sein Filmteam nach Mutarule kamen, war es schon das dritte Massaker, das den Ort heimgesucht hatte. Man hat die Leichen unter einem offenen Zelt gelagert und mit Tüchern bedeckt. Von den Behörden war auch beim dritten Mal niemand vorbei gekommen. Wieder waren Kinder und Frauen unter den Opfern und der Pastor. Die UNO ist nur 10 Minuten entfernt stationiert und wusste Bescheid.

Der Film endet vor der Urteilsverkündung, von der wir nur auf Schrifttafeln erfahren. Die Regierungsvertreter im Ostkongo und die multinationalen Konzerne sind verurteilt worden. In einem weiteren Tribunal in Berlin wurde festgestellt, dass die Weltbank und die EU Verantwortung für die Verbrechen tragen. Die UNO-Mission war mitangeklagt, wurde aber von direkter Mitschuld freigesprochen, weil ihr Mandat keine bewaffneten Eingriffe zulässt. Die Schuldsprüche sind keine Überraschung, aber schade, dass man als Zuschauer um den Kulminationspunkt der Geschichte gebracht wird.

* *

Epilog
In seinem Aufbau ist das Tribunal eine Blaupause für die Bearbeitung weiterer Verbrechen, denn alles war echt, die Jury, die Zeugen, die Beweise, alles wurde entsprechend geltender Rechtsprechung ausgeführt inkl. der Vereidigungen und die Benutzung des Richterhammers. Der Untersuchungsleiter Sylvestre Bisimwa plant daher weitere solcher Tribunale. Für die einheimischen Opfer war es das erste Mal, dass ihnen zugehört wurde und dass sie ernst genommen wurden. Die Verhandlungen waren bereits 2015 zu Ende, und mittlerweile wurden der Innenminister und der Minenminister der Provinz Süd-Kiya aus ihren Ämtern entlassen.

Leider greift Raus Dokumentation insgesamt zu kurz. Die Materialfülle ist erschlagend, wir bekommen nur Schlaglichter zu sehen und erhalten zu wenig Unterstützung durch die vielen Orte, Protagonisten und Geschichten durchzusteigen. Auch die Informationen auf der Webseite sind spärlich, doch daraus noch das Schlusswort von Milo Rau: „Denn wenn Das Kongo Tribunal eines bewiesen hat: Die Wahrheit kann gefunden werden, egal, wie kompliziert die Zusammenhänge sind. Und Gerechtigkeit ist möglich, hier und heute. Wir müssen sie nur herstellen.“

Helga Fitzner - 15. November 2017
ID 10373
Weitere Infos siehe auch: http://www.realfictionfilme.de/filme/das-kongo-tribunal/index.php


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