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Robert Kerber: Das ganzheitliche System.

Robert Kerber:

Das ganzheitliche System

[Die folgende Passage wurde der nach meinem Drehbuch entstandenen Filmerzählung "Das ganzheitliche System" entnommen. ]

Das Buch ist in einer Auflage von 350 Stück im Selbstverlag produziert und seit dem 28.10. zum Preis von 11,50 Euro erhältlich!

Buchbestellung via E-Mail:
info@das-ganzheitliche-system.de

Nähere Info unter
www.das-ganzheitliche-system.de


Zur Biographie von Robert Kerber
© Robert Kerber 2002


Zum Inhalt: Kendred, Leiter einer psychiatrischen Klinik und wegen einer umstrittenen Fotoausstellung von vielen Seiten angefeindet, bekommt durch seinen Stellvertreter Harlan unwissentlich ein verbotenes Medikament verabreicht, das seine Wirklichkeitserfahrung nachhaltig zertrümmert. Er verliert nicht nur seine Anstellung, sondern landet zudem auf den Fahndungslisten der Polizei, als seine Frau unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall ums Leben kommt. Kendred flieht mithilfe einer jungen Frau, Kira, die ihn auf die Spur des Erfinders des Serums bringt, dem zurückgezogen lebenden Biochemiker Milchik, dem "Einzigen, der uns hier rausbringen kann".


Aussen. Milchiks Haus. Abend.

Ein altes, zweistöckiges, hölzernes Herrenhaus erhebt sich auf einer Lichtung. In Rufweite bringt Kendred den Wagen zum Stehen, läuft zum Eingang, klingelt. Eine Frau Ende fünfzig öffnet ihm die Tür.

Frau Milchik: Ja, bitte?

Kendred: Ich möchte zu Professor Milchik. Ist er zu Hause?

Frau Milchik: Sie gehören nicht zu der Gruppe, oder?

Kendred: Nein, ich bin allein.

Frau Milchik: Dann wird er keine Zeit für Sie haben.

Kendred: Ich bin einen weiten Weg gefahren, um ihn zu sehen. Es ist sehr wichtig.

Frau Milchik: Wie ist ihr Name?

Kendred: Mein Name ist ... Ich heiße Kendred. Professor Kendred.

Frau Milchik: Warten Sie hier.

Sie schließt die Tür. Kendred späht über die Schulter. Die Stille ringsherum ist vollkommen. Die Tür wird wieder geöffnet.

Frau Milchik: Kommen Sie herein.


Innen. Milchiks Haus. Abend.

Die Frau läuft vor Kendred her. Gerahmte Urkunden hängen im Flur, einige sind mit handgeschriebenen Obszönitäten in wilder, roter Schrift verunstaltet.

Frau Milchik: Er hat nur ein paar Minuten Zeit.

Sie betreten ein gemütlich eingerichtetes Bücherzimmer. Vor dem Kaminfeuer sitzt ein Mann mit schlohweißem Haar, aber sonst durchschnittlichem Äußeren, dem weder etwas von einem Magier noch von einem "verrückten Wissenschaftler" anhaftet.

Milchik: Die alten Stoiker pflegten unliebsame Passagen in Schriften anderer Autoren unleserlich zu machen. Ich mache es mir da einfacher. Wenn mich etwas aufregt, wandert es ohne Umwege vom Bücherregal in den Kamin. Bedauerlicherweise habe ich für Ärgernisse ein weitaus besseres Gedächtnis als für Erfreuliches. Setzen Sie sich, Kendred.

Kendred setzt sich in den angebotenen Stuhl, Milchiks Frau gesellt sich zu ihrem Mann.

Milchik: Ich gestatte meinen Besuchern keine Titel. Für mich sind Sie nur Kendred.

Kendred: Ich vermute, Sie haben es in der Zeitung gelesen.

Milchik: Sagen wir, ich bin informiert. Um es gleich vorwegzunehmen, wir sind kein Aufnahmelager.

Kendred: Deswegen bin ich nicht hier. Ich ... Doktor Harlan, mein Stellvertreter, hat mir das Serum verabreicht, das Sie entwickelt haben. Ein Mädchen, Kira, hat mir zur Flucht verholfen. Sie hat es auch genommen, ich glaube, sie ist davon abhängig. Harlan hat sie jetzt in der Gewalt. Auf irgendeine Weise kontrolliert er die Wirklichkeit, in der ich mich bewege. Von allen, die dieses Serum konsumieren.

Milchik: Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun?

Kendred: Dieses Mädchen meinte, Sie könnten Harlan aufhalten.

Milchik: Ich? Warum sollte ich jemanden aufhalten, dem meine Erfindung zu ungeahnten Möglichkeiten verholfen hat?

Kendred: Sie sind meine einzige Hoffnung. Und Kiras.

Milchik: (nickt) Ich sollte Ihnen erklären, was Anamnesol ist, damit wir von derselben Sache reden.

Frau Milchik klebt drei Zigarettenblättchen aneinander und beginnt, einen Joint zu drehen.

Milchik: Das meiste, was an so genannten "bewusstseinserweiternden Substanzen" auf den Markt kommt, ist irgendwelcher gepantschter Mist, dessen Erlös für geschmacklose Kleidung, Geheimdienstgehälter oder Anti-Drogen-Kampagnen ausgegeben wird. Ich habe versucht, etwas zu schaffen, das den Menschen von der Last der Individualität befreit.

Kendred: Wozu das?

Milchik: Das größte Übel unserer Zivilisation ist das Bestreben, einzig und individuell zu sein. Was ist dabei herausgekommen? Es fängt damit an, dass wir den Nächsten übers Ohr hauen, nur um einen kleinen, eingebildeten Vorteil zu haben, bis hin zu Kriegen zwischen Völkern. Und warum? Weil wir in unserem grenzenlosen Egoismus jedes Maß für die Dinge verlieren. Manchmal wissen wir gar nicht mehr, was es eigentlich ist, das wir erreichen wollen. Aber wir machen trotzdem weiter. Einstecken hier, austeilen d
a. Alle gegen alle. Ich mache mir keine Sorgen darum, dass unser Planet zu klein für uns wird. Wir werden ins All auswandern. Der Weltraum wächst unermüdlich weiter. Platz ist genug. Aber wir nehmen das Problem mit. In ein paar tausend Jahren klopft jemand an Ihre Tür und meint, "He, Sie, Ihr Raumgleiter parkt auf meiner Umlaufbahn".

Frau Milchik: (lacht) Er ist großartig, nicht?

Sie zündet ihren Joint an.

Milchik: Irgendwann erreicht die Ausdehnung ihren maximalen Punkt. Die Sonnen werden verlöschen, und wir treiben ziellos durch einen großen, schwarzen Kühlschrank. Aber wenn wir eins werden würden, Kendred, ein Wesen, ein Raum, eine Zeit, dann könnte uns selbst das Ende des Universums nichts anhaben. Ein Ding, in sich ruhend, ohne Gier, ohne Neid, das nichts will außer ... sein. Und immer sein wird. Über das Nichts hinaus.

Frau Milchik bietet ihrem Mann einen Zug an. Er schüttelt den Kopf.

Milchik: Danke, meine Liebe.

Sie hält den Joint in Kendreds Richtung.

Kendred: Nein, danke.

Milchik: Uns retten keine von außen diktierten Imperative. Wir brauchen etwas, das von innen kommt. Das uns von Grund auf verändert. Also habe ich nach einer Substanz gesucht, die genau das bewirkt.

Kendred: Und?

Milchik: Es war ein Fehlschlag. Dennoch bot man mir Geld, denn es hatte eine Reihe von ... interessanten Nebenwirkungen.

Kendred: Ich hatte bereits das Vergnügen. Manipulationsfähigkeit. Man kann den Konsumenten falsche Wirklichkeiten suggerieren und sie damit gefügig machen. Und ihre Aggressionen steuern.

Milchik: Darauf habe ich keinen Einfluss. Das Mittel ist weder gut noch schlecht. Die Resultate sind abhängig von den Leuten, die es einsetzen.

Kendred: Von Leuten wie Harlan. Es heißt sogar, dass sich staatliche Einrichtungen dafür interessieren. Der Grund liegt auf der Hand. Die Subkultur macht schon fleißig Gebrauch davon. Es braucht nur noch jemand kommen und die Herde zusammentreiben.

Es klingelt. Kendred wird hellhörig.

Frau Milchik: (steht auf) Wir erwarten Gäste. Kein Grund zur Sorge.

Sie geht zum Eingang.

Kendred: Sie haben Ihr geistiges Kind verraten, Milchik. Sie lassen zu, dass die Leute, die Sie so vehement ablehnen, es zu ihren Zwecken missbrauchen. Und Sie lassen die Menschen im Stich, die an Ihre Erfindung glauben. Die an Sie glauben.

Milchik: (ungeduldig) Harlan wird scheitern. Wie alle Autokraten ist er hoffnungslos psychotisch.

Kendred: Das dachte Kira auch.

Im Hintergund Gelächter. Milchik erhebt sich.

Milchik: Kendred, ich muss mich um meinen Besuch kümmern.

Kendred: Wann war das, als Ihr Sohn an der Überdosis gestorben ist? Sein Tod machte Schlagzeilen. Vor drei Jahren? Vier?

Milchik: (eisig) Er beging Selbstmord.

Kendred: Er hatte so viel von Ihrem Serum in sich, dass man ihn darin hätte konservieren können. Dann schnitt er sich den Bauch auf. Der letzte Samurai.

Milchik: Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.

Kendred: Ich habe mich auch nicht mehr unter Kontrolle. Aber es gibt andere, die sehr genau wissen, was sie tun.

Milchik: Was wollen Sie von mir?

Kendred: Sagen Sie mir, wie ich aus Harlans verdrehter Wirklichkeit rauskomme.

Milchik: Gar nicht. Sein System hat Ihres assimiliert. Ihre Wirklichkeit existiert nicht mehr. (schulterzuckend) Sie müssen ihn beseitigen.

Kendred: Beseitigen?

Milchik: Töten Sie Harlan. Töten Sie den Piloten und übernehmen Sie seine Maschine. Aber ohne Vorwarnung. Auf Wiedersehen, Kendred.

Er reicht seine Hand zum Abschied. Kendred steht auf, drückt die angebotene Hand.

Milchik: Erwarten Sie etwa, dass ich Ihnen Glück wünsche?

Kendred: Die Maschine läuft mit Ihrem Treibstoff, Professor.

Milchik: Na, dann viel Glück. Und, Kendred, nennen Sie mich nicht Professor.

Robert Kerber (36)

info@das-ganzheitliche-system.de
Nähere Info unter www.das-ganzheitliche-system.de

Das Ganzheitliche System
von Robert Kerber

ist ab Oktober 2002 als Buch erhältlich

ISBN 3-00-009682-5

im Direktvertrieb

Titelbild: Gunter Deller;
Inhalt,Gesatlung und Titel "Das ganzheitliche
System" © Robert Kerber 2002
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