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Wolfgang Kiwus

 

Wolfgang Kiwus

ZEICHEN IN VORSCHRIFTEN ZUM ENDE DER ABBILDER

(am 24. September 2000 in der Bonner Galerie "AnBau" vorgetragen)


Einen schönen guten Morgen. Und hoffentlich bleibt es auch nach meiner Rede dabei.

Ich werde in vier Etappen ein paar leichtverständliche Sätze vorlesen. Nach jeder Etappe ruhen wir uns gemeinsam aus.

[ DIE ERSTE ETAPPE, MIT ZEITFAHREN ]
[ DIE ZWEITE, HISTORISCH BEDINGT FLACHE ETAPPE ]
[ DIE DRITTE, DIE KÖNIGSETAPPE ]
[ DIE VIERTE ETAPPE, MIT BERGWERTUNG ]



DIE ERSTE ETAPPE, MIT ZEITFAHREN

Zwar ist der Begriff Computerkunst, Computer-Art, nix Neues, doch was er bedeutet und abdeckt ist unscharf und umstritten. Für mich z.B. sind nur diejenigen Computerkünstler, die ihre Bilder und Zeichnungen programmieren. Also keine Anwender dieser oder jener Software sind, die in einer althergebrachten Art damit Bilder produzieren, mit der Maus oder einem elektronischen Stift; oder Bilder einscannen bzw. mit einer digitalen Kamera arbeiten. Ich sage ja auch nicht, wenn ich einen Text mit einem Textverarbeitungssystem geschrieben habe, daß es sich dabei um Computerliteratur handelt.

Es gibt nur wenige Künstler, die selber programmieren, denn das Problem besteht nämlich darin, daß im allgemeinen ein Künstler nicht mit der notwendigen Geometrie und Mathematik und den notwendigen Programmiermethoden und -techniken vertraut ist, während der damit Vertraute kein Künstler ist. Das soll uns hier nicht weiter kümmern und beunruhigen, denn wir wissen ja schon seit langem, daß im Rahmen der traditionellen Kultur die Existenz der wissenschaftlichen Erkenntnis weitgehend ignoriert wird, samt ihrer Theorien und Konsequenzen, obgleich man selbstverständlich die materiellen Vorteile gern und meist ohne jeden Skrupel in Anspruch nimmt.

Deshalb beginne ich hier mit Grundlegendem. Und zwar nach der Methode jenes Fußballtrainers, der nach einem verlorenen Spiel vor versammelter Manschaft sagte: "Wir müssen ganz von vorne anfangen: Das ist der Ball!"


Wir lassen den eindimensionalen Raum R1 und den zweidimensionalen Raum R2 weg und betrachten gleich die Koordinatentransformation im dreidimensionalen Raum R3, die wir mit Vektoren wie folgt beschreiben können

X = T + RX'

mit X und X' als Koordinatenvektoren, T als Translationsvektor und der Drehmatrix R als orthogonaler (3 x 3)-Matrix.

Dabei gelte:

t1 x1 x1'
T = t2 , X = x2 , X' = x2' , R = (aik) , i,k = (1,2,3)
t3 x3 x3'

mit

aik = cos (< ei, ek' >) = ei . ek'

mit ei bzw. ek' als orthonormalen Basisvektoren des zugehörigen kartesischen Bezugssystems.

Auch in R3 können (wie in allen R) erweiterte oder homogene Koordinaten eingeführt werden über
 XT  =  (1, x1, x2, x3) .

Nun gehen wir gleich über zur Parameterdarstellung von Flächen.

Wir geben uns in einer Ebene ((u, v)-Parameterebene) ein Gebiet G vor, etwa der Form
 a < u < b,     c < v < d.

Durch die stetige differenzierbare und lokal injektive Abbildung G t F werde jeder Punkt (u,v) von G in R3 abgebildet. Jeder Punkt der Bildmenge F kann durch die reelle Vektorfunktion X(u,v) beschrieben werden. X(u,v) heißt Parameterdarstellung der Fläche F, u, v heißen Parameter dieser Darstellung. Die Linien u = const. bzw. v = const. beschreiben auf der Fläche F das Netz der Parameterlinien.

(Frei sprechen, in etwa so:)

Obwohl ich erst gerade angefangen habe, merke ich, daß bei einigen Anwesenden bereits jetzt schon die Konzentration nachläßt.

Woran liegt das?
Etwa an diesem Sonntagmorgen, weil man z.B. zu spät ins Bett kam?
Oder an dem Bonner Septemberklima?

Zwar heißt die Galerie "AnBau", aber vielleicht ist das die falsche Baustelle?

An dem hier gerade vorgelesenen Stoff jedenfalls kann das nicht liegen, denn er ist durchaus spannend. Und je weiter man damit fortschreitet, um so aufregender und abenteuerlicher wird es.

Also bleiben wir beim Fußball. Ich sah mal eine Zeichnung auf der ein Mann zu erkennen war, der vom Zehnmeterbrett ins Becken springt. Mit den Händen stemmte er schwere Gewichte, wie ein Gewichtheber, und an den Füßen hatte er Skier. Dabei murmelte er: Ist das noch Fußball?

So ist analog zu fragen, was denn das, was ich eben vorgetragen habe, mit Kunst zu tun hat?

Fragen über Fragen. Vorerst sollte uns genügen zu wissen, daß bereits Lebon den Henker als einen nützlichen Bürger an seinem Tisch hat essen lassen.

Die stetige differenzierbare und lokal injektive Abbildung muß uns nicht unbedingt verunsichern, denn es gibt auch andere Methoden, um zu fast gleichen Ergebnissen zu kommen.

Hat jemand eine Uhr, die er mir kurz ausleihen könnte?

Ich bitte Sie, zusammen mit mir jetzt eine Schweigeminute einzulegen. Bitte tun Sie mir diesen Gefallen, das ist sehr wichtig. Für Sie und für mich.

(Die Schweigeminute)

Ich danke Ihnen, das haben Sie sehr gut hingekriegt und sich sicherlich dabei was gedacht.

(.....…)


Nun mache ich eine Pause und beende diese erste Etappe, mit Zeitfahren. Allerdings müssen Sie sich vor der Pause ein Stück von meiner CD "Musique à la carte", mit dem Untertitel "Das Epikuräische und die Artistik", anhören. Alle Stücke auf dieser CD sind algorithmisch erzeugt worden, d.h. per Vorschrift und per Prozeß und mit einer Soundkarte realisiert.

Das Stück heißt "Warum?". Es zeigt, daß es auf eine Frage etliche Antworten gibt, die dazu auch noch allesamt unzutreffend, irreführend bzw. unbefriedigend sein können. Der Klang erinnert an ein Klavier, ist es aber nicht. Formal handelt es sich um eine strenge 12-Ton-Musik, d.h. daß eine Note erst wieder dann dran ist, wenn alle anderen Noten erklungen sind. Also immer der 12-Ton-Reihe nach.




DIE ZWEITE, HISTORISCH BEDINGT FLACHE ETAPPE

Zum erstenmal, weltweit, wurden mit Computern generierte Grafiken als Kunst 1965 in Max Benses Seminar an der damaligen Technischen Hochschule in Stuttgart anerkannt. Sie wurden als Kunst deklariert, denn natürlich wurde schon vorher mit Plottern gezeichnet, vor allem beim Militär. Noch heute ist das Pentagon die größte Programmierschmiede der Welt. Wichtig war, daß diese Anerkennung ergänzt wurde durch Theorien und Theoreme, Prophezeiungen und Visionen. Es war wesentlich, daß das ein bewußter programmatischer Akt war und nicht eine Laune der Natur oder irgend ein immer möglicher und nicht zu verhindernder Affekt.

In Benses Seminar und im Rahmen des Studium Generale wurden damals Arbeiten von Werner Nees gezeigt. Anschließend stellte er zusammen mit Frieder Nake in Wendelin Niedlichs Stuttgarter Bücherdienst aus. Fast zeitgleich präsentierte Michael Noll seine Arbeiten in New York. Diese Drei sind die allgemein anerkannten Pioniere der Computerkunst. - Was auffällt, sie waren Wissenschaftler, keine Künstler.

Ich habe diesen, wie Frieder Nake sagt, revolutionären Akt zwar hautnah erlebt und sehr spannend gefunden, aber ich war nicht auf die Idee gekommen, damit selber was machen zu wollen und zwar aus dem triftigem Grund, weil das viel zu schwierig war. Und darüber hinaus ist man an die damaligen Rechenmaschinen sowieso nicht rangekommen, das war viel zu umständlich und sündhaft teuer dazu.

Der Anfang war stürmisch, es fanden Kongresse und Meetings statt, es gab überall Ausstellungen, von Tokio bis New York; Prag, Belgrad und Sydney waren auch dabei usw. usf. Allerdings unter Ausschluß des Kunstmarktes, was bis heute, von wenigen Ausnahmen abgesehen, immer noch der Fall ist.

Das Interesse war sehr groß, so daß sich Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre etliche Wissenschaftler und nach und nach auch Künstler in der "Computerkunst" versuchten. Es sah damals so aus als ob sich dieser neue Zweig der Kunst rasch etablieren würde. Gebremst wurde diese Entwicklung vor allem dadurch, daß die meisten dieser Meister in die Industrie abgewandert sind, des schnöden Mammons wegen. Einige davon wurden zu Entwicklern der Malsoftware, die in den Entwicklungsstuben der Softwarefirmen die Genese künstlerischer Werkzeuge nachprogrammierten. Es wurden Konstruktions- und Layoutsysteme entwickelt und allerlei Programme der digitalen Bilderzeugung und Bildbearbeitung geschrieben. Auch das Pentagon und Hollywood banden einige dieser Spezialisten an sich.

So dünnte sich der Personenkreis der "Computerkünstler" rasch aus, zumal das Interesse an dieser Art der Kunst zunehmend schwand, nur wenige machten unverdrossen weiter.

Frieder Nake, Werner Nees und Michael Noll haben selber programmiert, während Herbert W. Franke, Vera Molnar und Zdenek Sykora mit Programmierern zusammengearbeitet haben.

Am konsequentesten, die Computerkunst betreffend, war und ist der in New York lebende Pforzheimer Manfred Mohr, auch wenn er diesen Begriff nicht sonderlich mag. Er wäre ja auch ohne der Rechner Künstler geworden, während ich nur durch die Computer zum Bildermachen gekommen bin. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied. Deshalb bestehe ich auf diesem Begriff, trotz der vielen Mißverständnisse, die er heutzutage verursacht.

Der Anfang wurde mit Großrechnern gemacht. Ein zweiter "Anfang" kam durch den PC. Durch seine Einführung um 1980 wurde es möglich, daß Individuen wie ich sich so ein Ding leisten und mit ihm arbeiten konnten. Vorher war daran nicht zu denken und es wurde auch nicht daran gedacht.

Das war ein neuer Aufschwung, an dem sich wieder viele beteiligten, allerdings es auch bald wieder sein ließen, wahrscheinlich einfacherer und lukrativerer Möglichkeiten wegen.
Etwa 1990 war diese Entwicklung abgeschlossen. Und wieder zog Ruhe ins rauhe Land, nur wenige blieben übrig und arbeiteten konsequent weiter.

Um 1995 kam ein neuer Schub und zwar durch die Entwicklung neuer Ausgabegeräte, fast phototauglicher Drucker. Dazu kamen Scanner, digitale Kameras und vor allem das Internet.

Damit sind wir in der Gegenwart angelangt, was günstig für eine Zäsur, für eine Pause ist. Allerdings erst wieder nach einer Komposition.

"Monsieur Croche spielt à la Debussy". Monsieur Croche, Herr Achtelnote, der von sich behauptete, daß er die gesamte Musik kenne, ohne darauf stolz zu sein, ist eine Erfindung von Claude Debussy. Was Claude Debussy allerdings nicht wußte, daß Monsieur Croche komponiert hat. Das habe erst ich entdeckt.

Monsieur Croche spielt selbst auf einem selbstgebauten marimbaphonartigen Instrument aus Metall, d.h. aus einer bestimmten Legierung. Ursprünglich war das eine Kirchenglocke, die 1870 eingegossen wurde, um daraus eine Kanone zu machen, wozu es aber nicht kam. Monsieur Croche fand die traurigen Reste dieser Glocke in einem Pariser Hinterhof usw. usf.




DIE DRITTE, DIE KÖNIGSETAPPE

An der Computergrafik interessieren mich mehr die präzisen Vergnügen, die Programmierbarkeit des Schönen, von Kunst - weniger Grafiken und Bilder, die mit einer Standardsoftware, mit Malprogrammen realisiert werden, die mitunter sicherlich auch Kunst sind. Doch das Neue an der Computerkunst ist nicht das Zeichnen oder Malen, sondern die Art wie das geschieht, daß Bilder mit sprachlichen Mitteln erzeugt werden können, aus einem "Nichts", als Konkretisierungen bestimmter Ideen.

Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit Verschlüsselungen, die durch niemanden und nichts entschlüsselt werden können. Es fasziniert mich die Idee, etwa einem Bankdirektor ein Bild zu verkaufen, das gut zur Tapete und den Vorhängen paßt, das aber in sich einen biblischen Fluch oder gar einen Aufruf zum Aufruhr, zur radikalen Umgestaltung der Welt in sich birgt.

Meine Plotterzeichnungen haben wenig mit Zufällen zu tun, entstehen sie doch per Vorschrift und Prozeß. Realisiert werden sie mit eigenen Programmen und einem Plotter, also mit einem verhältnismäßig "starren", (digital gesteuerten) analogen Zeichengerät, dem etwas Eleganz und Geschmeidigkeit beigebracht werden mußte, dessen zeichnerische Möglichkeiten es zu verfeinern gilt, da sie ja gegenüber den fast unendlichen Möglichkeiten der menschlichen Hand sehr bescheiden sind.

Viele meiner Bilder sind aus Zeichen (Buchstaben), aus Zeichenketten entstanden, daraus entwickelt worden; vor allem aus Max Benses 1947 erschienenem Essay "Der Geistige Mensch und die Technik", der mich immer wieder durch seine Aktualität fasziniert hat, durch jene Art von Gedanken, die in der Lage und fähig sind, die Perfektion zu fordern und einzuklagen, die wir bitter nötig hätten, wenn unsere Art leben oder gar überleben soll.

Denn die Technik ist eine Totalität, die dadurch nicht beseitigt oder beiseite geschoben werden kann, indem man zum Beispiel die Physik verlernt. Und je höher entwickelt die Technik, hat sie doch ihre Seinsschichten, umso empfindlicher ist sie, anfälliger und verletzlicher und gefährlicher dazu: in jener Welt, in der zu wohnen und zu existieren wir nun mal gezwungen sind.

Das ist jener harte, kalte Traum aus der Materie, der aus Apparaten, Maschinen und Instrumenten besteht, die nicht wie die Libelle, Technik haben, sondern Technik sind, in jenem grandiosen Prozeß vom Haben zum Sein, wenn wir Existieren in einem bestimmten, etwas erweiterten Sinne Kierkegaards, also im wesentlichen dialektisch verstehen, als einen Zustand zwischen "Sein und Nichtsein, zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Leben und Geist, zwischen Materie und Denken, zwischen Gesellschaft und Individuen" .

In diesem Text beschreibt Max Bense auch die Nöte des Geistigen Menschen, die Differenz, die zwischen dem platonischen Geist der Freiheit, des Schöpferischen und der perfekten Welt des Laplaceschen Dämons besteht, der im Sinne der Vorausberechnung der Ereignisse sie rational beherrschen und abzuschließen trachtet, der das stille natürliche Werden durch eine einsame dürre Phantasie des Fortschritts ersetzt.
Nach Max Bense besteht das Problem, die Kunst betreffend, darin, angemessen, sinnvoll und verständlich über sie zu reden, denn seit "über 2000 Jahren bringt man in großartiger Kontinuität Kunst hervor, aber jedes Gespräch über sie gelangt unweigerlich an den Punkt, wo zugegeben werden muß, daß man nicht weiß, wovon man spricht."

Deshalb schrieb er seine Ästhetik, gelegentlich von ihm "Objektästhetik" genannt, "um anzudeuten, daß sie die ästhetische Realität gewisser vorgegebener Objekte ausschließlich unter dem Aspekt objektivierender Betrachtungsweise erforscht, aber nicht wie in den interpretierend vorgehenden 'Saturierungs-' und 'Provokationsästhetiken' (oder 'Gefallensästhetiken') das kommunikative Verhältnis jener Objekte zu einem Publikum oder zu ihren Hervorbringern bestimmt".

In dieser Ästhetik stellt er einerseits fest: "Naivitäten faszinieren nicht und haben kein Gewicht. Man ist in der Möglichkeit der Finesse und der Tiefe heute nicht mehr bloß auf Kunst angewiesen. Galileis Mechanik war vielleicht noch nicht tief, in dieser Hinsicht hatten Kunst und Dichtung der klassischen Epoche mancherlei voraus. Aber heute ist die Mechanik, in dem, worüber sie spricht, und darin, wie sie spricht, der Ausdruck einer Tiefe, Weite und Feinheit der Intelligenz, die es den Künstlern schwer machen, gleichrangig zu sein."

Andererseits: "Was überhaupt die metaphysischen Attribute der künstlerischen Tätigkeit, genauer: ihre ontologischen Aspekte angeht, so bleibt jetzt schon zu sagen, daß das Innewerden des Seins hier tiefer reicht als in der Wissenschaft."

Und darüber, ob es irgendwelche Rezepte für die Herstellung von Kunst gibt, schreibt Max Bense in der Aesthetica:"Es ist ein geläufiger Irrtum anzunehmen, die Theorie müsse im Kunstwerk fruchtbar werden. Nicht das Kunstwerk ist angewandte Ästhetik, sondern die Kritik des Kunstwerks. Nicht für die erste Phase des Kunstwerks, seine Entstehung, ist die Ästhetik unerläßlich, sondern für die zweite Phase, das Sein des Kunstwerks im Geiste, sein Verständnis, seine Bedeutung. Die Kritik ist das Medium der Theorie, insofern es keine berechtigte Kunstkritik gibt, ohne eine Ästhetik, die vorauszusetzen ist. Andererseits ist jede Theorie bereits implizite Kritik."

Auch wenn die ästhetische Rechtfertigung des Daseins nicht im jeden Falle ein geistiges Vergnügen ist, so ist sie für Max Bense die einzig mögliche, arbeitet doch "Kunst immer daran, durch ihre Geschöpfe ein Stadium nicht nur der sinnlichen, auch der spirituellen Faszination einzuleiten; sie beginnt den ästhetischen Prozeß als eine Wiederholung des Seins im Zeichen des Seins, aber sie beendet ihn als Rechtfertigung des Seins durch seine Reproduktion im Geiste."


Das hat Max Bense, seiner Zeit, sehr schön formuliert und deshalb ist wieder eine Pause fällig. Allerdings, Sie wissen das schon, es ist auch wieder ein Musikstück dran.

Das Stück heißt "k60". Es wurde auf dem Fest zu meinem 60sten Geburtstag von Freunden gespielt. Es war nicht einfach, sie in meinem Rechner zu unterbringen und auch ein bißchen gefährlich, weil z.B. Igor, der Saxophonist, von früh bis abends russischen Wodka trank, so daß ich um meinen DSP (den Digitalen Signal Prozessor) sehr besorgt war, denn es war durchaus denkbar, daß er, animiert durch dieses Beispiel, selber zu trinken anfängt, was ich eigentlich vermeiden wollte. Es ist aber alles glatt gegangen. Der Signal Prozessor ist trocken!




DIE VIERTE ETAPPE, MIT BERGWERTUNG

Über das Ästhetische, das konkrete Etepetete, vielleicht ein anderes mal mehr. Zum Künstler jedoch: er ist nicht unbedingt das Fettauge in der Suppe, das obenauf schwimmt. Zum Teil handelt es sich bei dieser Spezies von Mitmenschen um Zurück- und Hängengebliebene. Wollen sie nicht an der Oberfläche haften bleiben, sondern auch ein bißchen unter der Haut kratzen, bleibt ihnen ja nichts anderes übrig als an ihren Themen und Aufgabenstellungen dranzubleiben. Das häufige Wechseln von Hemden nutzt den Boutiquen und der Textilindustrie, zu ebensolchen Wechseln von Überzeugungen sagt man Prostitution. Und nur im Mittelalter flogen die gebratenen Tauben schnurstracks in den Mund, auf Bildern. Zum Nachtisch gab es dann die Pest.

Während in der Musik das Programmieren gang und gäbe ist, Komponieren ist ja nichts anderes als Programmieren, eine Komposition ist ein Programm, scheint das in der bildenden Kunst ein Novum zu sein und dazu auch derart fremd, daß man sich damit nicht beschäftigen zu müssen meint. Anstatt sich gerade auf das zu konzentrieren, was ungewöhnlich und schwierig ist, wandelt man lieber auf dem Weg des geringsten Widerstandes, auf der Suche nach einem Universalknopf, den man drücken könnte/möchte, um Muster schönerer Welten zu erhaschen, oder was man dafür hält.

Herbert W. Franke hat mal in einem Gespräch bemerkt, daß dazu diejenigen, die noch vor wenigen Jahren am vehementesten die künstlerische Arbeit mit Computern ablehnten, heute oft die größten Dogmatiker davon seien. Allerdings möchten sie von den Grundlagen und deren Erforschung nichts wissen, die man sich zu ersparen hofft.

Natürlich gibt es immer wieder naturwissenschaftlich verbrämte Moden, wie etwa das Geschrei um die Fraktale. Auch die Chaostheorie war mal in aller Munde. Und ein Diskurs jagte den anderen. Man meinte den Trick gefunden zu haben, den der Liebe Gott bei der Erschaffung der Welt, wie ein Zocker, aus dem Ärmel zog. So simpel stellt sich manchmal die vorherrschende Flohmarktintelligenz das Universum vor: Pythagoräisch ausgeflippt, kaufmännisch gerundet.

Allerdings teile ich mit dem Rechnererfinder Konrad Zuse die Meinung:
Die Gefahr, daß der Computer so wird wie der Mensch, ist nicht so groß, wie die Gefahr, daß der Mensch so wird wie der Computer.

Der Merkwürdigkeiten gibt es ja immer sehr viele, die gab es auch schon um 1830, wie Johann Hermann Detmold berichtet:

Ich habe einmal gelesen, der berühmte Vaucanson habe außer seiner Ente, welche bekanntlich gegessen, verdauet und geschnattert, wie eine natürliche Ente, auch einen Kunstkenner angefertigt, der ebenfalls wie eine Ente zwar nicht verdauet, aber doch geschnattert, gerade wie ein natürlicher Kunstkenner. Derselbe war auf sieben Kunsturteile gesetzt und soll so täuschend gemacht gewesen sein, daß ihn viele Leute nicht bloß für einen wirklichen, sondern auch für einen lebendigen Kunstkenner gehalten haben. Späterhin, nach Vaucansons Tode, soll sich derselbe emanzipiert, sogar den Titel Kommerzienrat und einen Orden erhalten, in bedeutendem Ansehen als Kenner gestanden haben und von niemandem für einen Automaten erkannt worden sein. Ich glaube diese Geschichte nur teilweise.


Abschließend bleibt noch vorzutragen:


sachte
sonst geht der hut hoch
dachte
der zuckerhut
er dachte hoch von sich
und über das meersalz
nach
auf das er mit ekel herabsah

ach nur guten mut
sprach
das meersalz immer auf der walz
da und da aha aha und och
das genügt doch

die tassen hoch
die schwänze nieder
wir treffen uns in der Galerie AnBau wieder



Zwar ist alles gesagt aber es gibt noch, sozusagen als Zugabe, ein etwas technoartiges Stück, das "Astrachan" heißt, weil wir es live in Astrachan gespielt haben. Mit Janusz und Wolodja und all den anderen. Wolodja ist später nach Tschetschenien gegangen. Ich weiß aber bis heute nicht, ob er sich dort eingemischt hat und auf welcher Seite.

Diese Tournee, vom Kaspischem Meer bis in die Mandschurei, war ein riesiger Erfolg und wir haben phantastische Sachen erlebt. Sie werden es mir nicht glauben, abnehmen, doch es gibt sie wirklich, die Fliegenden Teppiche. Ich bin damit geflogen!

(nach "Astrachan":)

Computer sind und können nicht alles und man muß ihnen nicht ausgeliefert sein. Zum Beispiel hat der niederländische Schachgroßmeister Jan Hein Donner auf die Frage, wie man einen Computer schlagen kann, knapp und treffend geantwortet: Mit dem Hammer!



Wolfgang Kiwus


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